Festmatinee zum Jubiläum
BUTZBACH. Mit einer knapp dreistündigen festlichen Matinee feierte der TSV 1846 Butzbach am Sonntagvormittag im großen Saal des Bürgerhauses mit viel Prominenz und zahlreichen Gästen – darunter LSBH-Präsident Dr. Rolf Müller und dem ehemaligen Landtagspräsidenten Norbert Kartmann – sein 175-jähriges Bestehen. Landrat Jan Weckler verlieh dem über Jahrzehnte dem TSV-Vorstand angehörenden Schriftführer Otto Brand und dem ersten Vorsitzenden Michael Rüspeler – ob seiner langjährigen Verdienste innerhalb und außerhalb des TSV Butzbach – den Ehrenbrief des Landes Hessen und betonte dabei, dass die Vereinsgründung im Jahre 1846 „keine Selbstverständlichkeit“ gewesen sei, sondern zwei Jahre vor der 1848er-Revolution „ein politisches Statement“. Ein demokratischer Staat sei auf einen Verein wie den TSV Butzbach mit seiner beeindruckenden Historie angewiesen.
Die Matinee leiteten die vier Saxophonisten „Saxisme“ unter Leitung von Martin Zörb, die auch zwischen den Redebeiträgen zu Gehör kamen, mit Fanfarenklängen ein. Moderiert wurde der Vormittag von Martin Guth auf bekannt launige Weise. Unter dem Motto „anno dazumal“ begann das Ganze recht statisch mit einem Stabtanz von 1910 der Turnerinnen und Turner (Gruppe Remix) in historischer Sportkleidung, der am Ende – nach blitzschneller Kostümänderung – furios und schwungvoll überging in eine moderne Tanz-Darbietung nach „Born to Be Wild“ der Popgruppe „Steppenwolf“.
Vereinsport „sozialer Humus“
In seiner Begrüßung freute sich der 20.Vorsitzende in der TSV-Historie, Michael Rüspeler, dass man nun – nach mehreren Jubiläumsveranstaltungen im Freien – unter Hygieneauflagen im Saal feiern könne. In seinem kurzen historischen Abriss betonte Rüspeler, dass der TSV – abgesehen von den Kriegszeiten – in seiner Geschichte stets jegliche politische Einschränkungen abgelehnt hätte und für die Bürger der Stadt 175 Jahre lang ein sportliches Angebot bereit gehalten habe. Er verwies auf eine Ausstellung mit Videosequenz während der Matinee im Foyer des Bürgerhauses. Bei einem zehnprozentigen Mitgliederschwund während der Pandemie gehe der TSV Butzbach mit seinen 2000 Mitgliedern nun mit Mut und Zuversicht in einen Neustart. Dabei seien – nach der Maßgabe der Ärztin und einstigen Schauspielerin Dr. Marianne Koch – drei Faktoren für ein lebenswertes Leben wichtig: Ernährung, Bewegung und soziale Kontakte. Der organisierte Vereinssport sei „sozialer Humus“ in der Gesellschaft.
Der Präsident des Landessportbundes Hessen, Dr. Rolf Müller, unterstrich, dass die Gründung des Vereins in politisch schwierigen Zeiten „ein nicht ungefährliches Wagnis“ gewesen sei, der Verein als eine „Stände- und Gegensätze übergreifende Insel“. In einer weitgehend bindungslos gewordenen Gesellschaft sei das Ehrenamt im Verein ein „Bindemittel“ und der Verein eine „soziale Tankstelle“. Der Sport sei „robust, anpassungsfähig und kreativ.“ Müller, der ein Jubiläumsgeschenk an Rüspeler überreichte, machte eine Rechnung auf: Wenn man die Summe aller ehrenamtlich geleisteten Stunden in Deutschland pro Jahr addieren und jede Stunde mit zehn Euro abgelten würde, dann ergäbe sich ein gesellschaftlicher Beitrag von 31 Milliarden Euro.
Das „Jump-Rope-Team“ des TSV legte danach einen schwungvollen Seil-Tanz nach dem Jubiläumslied „175 Jahre – das ist ganz schön lange her“ auf die Bühne, ehe der Sportkreisvorsitzende des Wetterauerkreise Jürg Wulf (Karben) drei Ehrungen vornahm. Die „Verdienstnadel“ des Landesportbundes Hessen erhielt der zweite TSV-Vorsitzende Dr. Thomas Buch, und mit der „Ehrennadel in Bronze“ des LSBH zeichnete Wulf Irmtraud Dennerlein und Bernard Smith aus. Der TSV selbst erhielt vom Landessportbund eine Urkunde und als Jubiläumsgeschenk einen Gutschein von 750 Euro für Ausbildungsmaßnahmen. Bürgermeister Michael Merle überbrachte die Grüße und Glückwünsche der Stadt und erinnerte an seine eigene Jugendzeit in der Tischtennis-Abteilung des TSV Butzbach.
Frauenturnen ab 1900
Für alle Sportverbände der im TSV vertretenen Sportabteilungen hatte der Vizepräsident des Hessischen Turnverbandes Ulrich Müller die Glückwünschadressen übernommen. Er unterstrich die große Bedeutung des TSV 1846 Butzbach für das hessische Turnen und erinnerte an markante Daten. So habe Friedrich Ludwig Weidig im Jahre 1814 auf dem Schrenzer einen ersten Turnplatz gegründet. Bahnbrechend habe der TSV schon im Jahre 1900 das Frauenturnen in sein Sportprogramm aufgenommen. Müller übergab eine Ehrenurkunde und einen Gutschein für die Ausbildung im Ehrenamt.
Der Vorsitzende des VfR Butzbach Matthias Hesse gratulierte dem Jubiläumsverein im Auftrag aller Sportvereine der Kernstadt und der Nachbargemeinden. Er erinnerte an historische Zeiten der Gemeinsamkeit zwischen dem TSV und VfR. So habe der heutige VfR von 1934 bis 1945 und danach von 1947 bis 1957 als Abteilung des TSV Fußball gespielt. Den guten Wünschen schloss sich danach auch Andreas Catlin, der neue Vorsitzende des Butzbacher Vereinsrings an. Es folgte eine weitere temperament- und schwungvolle Tanzdarbietung von Remix, ehe Vorsitzender Michael Rüspeler in einem kurzen Interview mit Moderator Martin Guth eine zufriedenstellende Bilanz des Jubiläumsjahres mit allen Veranstaltungen zog. Nach der Matinee hatten die Gäste im Bürgerhaus-Foyer Gelegenheit zu Gesprächen und einem gemütlichen Beisammensein.