Folge 2 – Jugoslawien 1972

Mit dem Flugzeug 1972 ins Trainingslager nach Jugoslawien gejettet

(uc). Virovitica statt Wermelskirchen und Trikots mit aufgedruckter Werbung – Die strukturellen Veränderungen mit erfolgsorientiertem Handeln wurden Anfang der 1970er Jahre innerhalb der Handball-Abteilung des TSV Butzbach immer deutlicher. Fuhr man im Jahrzehnt zuvor noch mit dem Rad zum Punktspiel ins Nachbardorf oder mit dem PKW zum Vorbereitungsturnier ins Bergische Land, jettete die Männermannschaft im Jahr 1972 per Flugzeug ins Trainingslager nach Jugoslawien ganz im Stil der Glitzerepoche. Der Aufwand war laut dem damaligen Abteilungsleiter Dieter Anspach als Belohnung für die gerade errungene Hessenmeisterschaft gedacht und sollte zugleich Ansporn für noch größere Taten in der folgenden Regionalligasaison sein.


Vor dem Spiel gegen Virovitica wurden unter den Offiziellen Geschenken getauscht v.l.: Durodic und Scholz, dann Diehl und Anspach.

Mit einer 16köpfigen Delegation ging es an Ostern 1972 vom Frankfurter Flughafen aus in die Heimat der Korsettstangen Toni Turkaly und Zdenko Kovac. Es war quasi ein Gegenbesuch, denn zwei Jahre zuvor spielten die Jugoslawen bereits zur internationalen Premiere in der neuen August-Storch-Halle in Butzbach. Nach der Ankunft in Zagreb steuerte die TSV-Truppe den Stützpunkt der Tournee an, die Kleinstadt Virovitica an der ungarischen Grenze. Dort wurde man mit großer Gastfreundschaft aufgenommen. Empfangsrede des Bürgermeisters, Wimpeltausch und Spanferkelessen hatten schon was von einem kleinen Staatsbesuch. Im Mittelpunkt der Reise standen aber sportliche Begegnungen mit Teams aus der zweiten Staatsliga. Zunächst ging es vor 1000 Zuschauern auf einem für Ostblockstaaten damals üblichen Hartplatz unter Flutlicht gegen den Heimatclub von Toni Turkaly aus Durdenovca, der 31:16 besiegt wurde. Am Tag darauf sahen 950 Zuschauer einen 12:10 Erfolg der Deutschen Gäste gegen den Stammverein von Zdenko Kovac aus Virovitica. Schriftliche Grußworte an den Butzbacher Bürgermeister Hofmann begleiteten die TSVler auf dem Heimflug.


Spanferkelessen in seiner alten Heimat: In der Mitte mit Hut Zdenko Kovac, rechts neben ihm Jogi Röhrig.

Nach dem Aufstieg in die Bundesliga bediente der TSV Butzbach ein Jahr später das Erfolgsrezept in der Saisonvorbereitung ein zweites Mal, allerdings strapaziöser mit dem PKW und einem noch größeren sportlichen Programm in Jugoslawien. Über München und Graz ging es am 20. April 1973 nach Somobor bei Zagreb. Der RK Ruda wurde hier mit 17:11 geschlagen.  Danach gelang wieder ein Erfolg in Virovitica. Die dritte Spielverpflichtung in vier Tagen hatte es dann in sich. Auf schwarzem Asphaltboden hieß der Gegner im „Halbdunkeln“ einer Sporthalle Slovenia Pozega. Das Licht war kurz vor dem Anpfiff einfach ausgefallen. Gespielt wurde aber trotzdem und der Südwest-Deutschen Meister musste den Reisebelastungen Tribut zollen und eine 21:19 Niederlage quittieren. In der letzten Begegnung lieferten die Butzbacher wieder eine Topleistung beim Erfolg gegen RK Karlovac. Kassenwart Bärwolf zog im Anschluss ein positives Fazit, sprach von einer gelungenen Umstellung vom Großfeld auf die kleineren Maße und beobachtete, dass sich die Spieler unter schwierigen Bedingungen in den acht Tagen auch kameradschaftlich nähergekommen waren. Einer erfolgreichen Runde im Deutschen Oberhaus stand nichts mehr im Wege.


Ein Teil der Butzbacher Delegation in Virovitica 1972 v.l.: Grossmann, Röhrig, Hoffmeister, Oberer, Knorr, Dennerlein, Gässler.