F4 – Moabstru tauscht Spikes mit Bergschuhen und Steigeisen
(ba) Über viele Jahre hinweg haben Mitglieder des TSV 1846 Butzbach, der in diesem Jahr seinen 175. Geburtstag feiert, die Leistungen für das Deutsche Sportabzeichen erfüllt. Im Schrenzerstadion fanden die Sportler der Montagabendturnstunde des TSV ideale Trainingsbedingungen vor. Mit Alfred Jung und Günter Schimpf standen außerdem zwei kompetente Trainer zur Verfügung, die es in ihrer aktiven Zeit zu beachtenswerten Höchstleistungen brachten. Der 2010 verstorbene ehemalige TSV-Vorsitzende Alfred Jung startete für den LSC Bad Nauheim und gehörte damals auf den Mittelstrecken zu den stärksten Athleten in Hessen. Günter Schimpf, 82 Jahre alt, nahm über viele Jahre einen Stammplatz in der ersten Sprintergarnitur des Bezirks Frankfurt ein. Er wurde 1958 mit der 4 x 100 m-Staffel des TSV in der Besetzung Hans Fuhrmann, Helmut Röder, Friedel Becker und Günter Schimpf Hessenmeister. Bei den „Deutschen“ im gleichen Jahr belegten die Butzbacher Sprinter den 3. Platz und Schimpf holte sich in 10,8 sec Rang 5, eine fabelhafte Leistung. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn wechselte er in das Leichtathletiklager des FSV Frankfurt über. Trombelli, Schimpf, Niklas sowie Olympiasieger und Weltrekordler Armin Hary gehörten damals zur Bornheimer Sprintstaffel, die 1960 auf dem Abendsportfest des ASV Köln die Nationalmannschaft Frankreichs hinter sich lassen konnte. Schimpf steigerte sich in diesem Jahr über 100 m auf 10,6 sec und über 200 m auf 22,1 sec. Günter Schimpf nennt über 40 Kreismeistertitel sein eigen. Nach seinem Rückzug aus dem Leistungssport kehrte er zu seinem Heimatverein zurück und trainierte gemeinsam mit Alfred Jung die TSV-Männer. Über 35 Jahre fungierte er als Prüfer und Übungsleiter Leichtathletik im Butzbacher Stadion und verhalf seinen Schützlingen mit wertvollen Tipps zum Sportabzeichen. Er selbst hat die Leistungen für das Abzeichen in Gold 54-mal erbracht. In der Rangliste folgen ihm Heinz Putzke (53 Wiederholungen)), Alfred Jung (50) und Günter Langer (43), der jetzige Stützpunktleiter Sportabzeichen, auf dem Fuß. Auch das langjährige Moabstru-Mitglied Hans Noack ( 2009 verstorben), der im Kreis seiner Sportkameraden hohes Ansehen genoss, drehte im Schrenzerstadion eifrig seine Runden, sprintete, sprang hoch und weit und beförderte die Kugel einige Meter durch die Luft. „Hans war regelmäßig und mit großem Ehrgeiz auf dem Platz und in der Halle im Training dabei und hat die Bedingungen für das Sportabzeichen in Gold über 30-mal erfüllt“, lobte Schimpf seinen Schützling Noack und auch die großartige Leistung des ehemaligen Basketball-Abteilungsleiters Oberstudienrat Klaus Sternagel (27 Wiederholungen). Hans Noack, der sehr gerne mit seinen Sportfreunden in der Schrenzerhalle dem Fußballleder hinterherjagte, war auch ein ausgezeichneter Schwimmer. Beim Vereinsschwimmen der DLRG-Ortsgruppe Butzbach belegte die TSV-Mannschaft, die mit Hans Noack, Fred Röseler, Heinz Putzke und Karl Schwigon an den Start ging 1986 den 1. Platz. Ein Jahr später führte Noack, der wiederum eine Bestzeit hinlegte, sein Quartett mit Karl Schwigon, Klaus Schäfer und Alfred Jung ebenfalls auf das Podest. Die Moabstru des TSV beteiligte sich über viele Jahre an zahlreichen Veranstaltungen des Turnvereins (Fastnacht und Weidg-Bergturnfest) und der Stadt Butzbach wie z.B. als römische Besatzungsmacht im Festzug anlässlich der 750-Jahr-Feier der Stadt Butzbach im Jahr 1975. Die TSV-Moabstru könnte gut und gern ein Ableger des Deutschen Alpenvereins sein. Die Brüder Euler und Henkelmann sowie Heinz Knihs animierten die TSV-Männer zu Ausflugsfahrten in die Berge. Ganz zu Beginn standen Hüttenwanderungen im Vordergrund. Später wurden die Bergwanderer wagemutiger und peilten höhere Ziele an. Im Tiroler Ötztal überschritt man u.a. die Wildspitze (3785 m). Ein beliebtes Ziel war auch der Gipfel der Großvenedigers in den Hohen Tauern. Einmal wäre es beinahe zu einer Tragödie gekommen. Fritz-Karl Henkelmann wurde bei einer Frühsommertour im Karwendel von einem Schneebrett in die Tiefe gerissen und mit schweren Verletzungen von der Bergwacht geborgen. „Mein früherer Leichtathletik-Trainer Ale Henkelmann hat mich dazu gebracht, mit der Moabstru in die Berge zu fahren. Daraus ist eine Leidenschaft geworden“, berichtet Günter Schimpf, der schnell zu einem trittsicheren und verantwortungsbewussten Bergsteiger wurde. Schimpf galt über Jahre als Tourenvorbereiter und „Bergführer“ der Moabstru, der mit Seil und Haken umgehen konnte, und seine Seilschaften immer sicher ins Tal zurückbrachte. Einige Bergfahrten führte die Moabstru nach Zermatt und Saas Fee ins Wallis. An der Seite von Schimpf befand sich oftmals auch Hans Noack, der Schimpfs Leidenschaft für die Berge teilte. Rimpfischhorn, Alphubel, Castor, Pollux und Breithorn waren u.a. Gipfelziele über der 4000-Meter-Marke. Auch Alfred Jung schnürte oftmals im Wallis die Bergstiefel. Seine Glanzleistung: im Alter von 65 Jahren stand er mit seinem Schweizer Bergführer auf dem 4450 m hohen Gipfel des Matterhorns. Noch höher hinauf schafften es die Moabstru-Sportler Günter Schimpf, Helmut Röder, Heinz Putzke und Wilfried Wagner im Jahr 1975 . Nach anstrengendem Aufstieg über drei Tage durch verschiedene Vegetationszonen standen die Butzbacher auf dem 5885 m hohen Gipfel des Kilimandscharo. Jahre später wiederholten mit Rolf Grotegut und Stefan Ripp zwei weitere Moabstru-Mitglieder diesen Trail auf Afrikas höchsten Berg. Danach begnügte sich die Gruppe altersbedingt mit kleineren Bergfahrten in Tirol. Die Nördlinger Spitze, der Hausberg von Seefeld, war mehrmals das Ziel. Seit einigen Monaten ruht bekanntermaßen der Übungsbetrieb in der Schrenzerhalle und im Stadion und auch am Stammtisch im Cafe Schorre bleiben die Stühle unbesetzt. Eine winzige Hoffnung aber keimt auf: Vielleicht findet das traditionelle Oktoberfest statt, wenn Corona besiegt sein wird. Darauf freuen sich schon die Ehefrauen wie Gisela Schimpf, die eine sehr gute Bergsteigerin abgab und die Besteigungen des Gran Paradiso, des Mont Blanc und des Matterhorns in ihrem Tourenbuch notiert hat, sowie Isolde Noack. Sie denkt noch gerne an eine Tour in Zermatt auf das Oberrothorn (ihr erster Dreitausender) zurück. Beide Damen gehören übrigens weit über 60 Jahre als Turnerinnen dem Verein an und stehen somit auf der erlesenen Liste der Ehrenmitglieder.
BildunterschriftDie Moabstru-Bergsteiger vor ihrem Aufstieg zur Rotwand und dem Masare`-Klettersteig in den Südtiroler Dolomiten (v.l.) Alfred Jung, Erwin Harz, Werner Behla, Günter Schimpf, Hans Noack und Rolf Bauer Foto: privat, Text: ba